Energy-Harvesting im Dienste des IoT
Wie Energierückgewinnung die Industrie 4.0 vorantreibt
Energierückgewinnung ist der Schlüssel zum Wachstum von Industrie 4.0 – nicht zuletzt wegen stark angestiegener Strompreise. Wie funktioniert Sie und welche Technologien spielen dabei eine Rolle?
Was ist Energy-Harvesting?
Das Grundprinzip besteht darin, geringe Energiemengen aus in der Umgebung verfügbaren Quellen wie Licht, Wärme, Schall, Radiowellen, Vibrationen oder Bewegungen in elektrische Energie umzuwandeln. An sich ist Energy-Harvesting keine neue Technologie. Seit dem Erscheinen der ersten elektronischen Bauteile und Wandler, die der Umwandlung von Energie in elektrischen Strom dienen – insbesondere Photovoltaikzellen und Peltier-Elementen – arbeiten Ingenieure und Wissenschaftler an deren Optimierung. Warum Energy-Harvesting bislang noch nicht in großem Umfang angewandt wird, hat zweierlei Gründe: Zum einen war der Wirkungsgrad bislang begrenzt, zum anderen die Speicherung der zurückgewonnenen Energie schwierig.
Die mit dem Internet der Dinge (oder Internet of Things, IoT) vorangetriebenen jüngsten Fortschritte bei der Entwicklung extrem sparsamer integrierter Schaltungen eröffnet nun neue Perspektiven. Bislang war die Energierückgewinnung im Vergleich zum Energieverbrauch der Schaltungen vernachlässigbar. Die neuste Generation von Bauteilen ermöglicht nun eine Energierückgewinnung, ergiebig genug ist, um gezielt zur signifikanten Verbesserung der Energieeffizienz einer Anwendung eingesetzt werden zu können oder ermöglichen gar den Betrieb ganzer Geräten wie drahtloser IoT-Sensorknoten – ganz ohne zusätzliche Stromquellen wie Batterien.
Theoretisch ermöglicht Energy-Harvesting also eine ganze Reihe von Einsatzmöglichkeiten:
- Geringerer Wartungsaufwand durch den Wegfall von Batterienwechseln
- Dadurch auch weniger Umweltverschmutzung
- Neue Einsatzmöglichkeiten der Anwendungen an abgelegenen oder unterseeischen Orten
- Reduzierte Betriebskosten
Wie funktioniert Energy-Harvesting?
Unabhängig von der Art der zu zurückgewinnenden Energie ist das Verfahren im Wesentlichen identisch, und besteht grundsätzlich aus vier Elementen:
- Einem Wandler zur Umwandlung der Energie in elektrischen Strom
- Einer Signalverarbeitungsschaltung (Signalverstärkung und -gleichrichtung)
- Einem Speicherelement (Superkondensatoren)
- Einer Energiemanagement-Einheit zur Optimierung der Energierückgewinnung und Steuerung der Lade-Entlade-Zyklen des Speicherelements
Welche Ressourcen sind besonders vielversprechend?
Es gibt viele Möglichkeiten, Energie aus der Umgebung (zurück) zu gewinnen. Diese Energiequellen werden heute noch in geringem Ausmaß genutzt; einige von ihnen bergen jedoch aufgrund der einfachen Zugänglichkeit und Verfügbarkeit ein hohes Nutzungspotenzial. Beispiele hierfür sind Licht, Vibrationen, Radiowellen und Wärme. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die einzelnen Möglichkeiten, Energie aus der Umgebung zu „ernten“:
Natürliches und künstliches Licht
Auf photovoltaischem Effekt basierende Halbleitertechnologien ermöglichen die Rückgewinnung von elektrischer Energie aus Sonnenlicht oder Beleuchtung. Von allen hier aufgelisteten Technologien ist diese wohl die fortschrittlichste, obwohl die Energieausbeute mit 20 % noch relativ gering ist. Die Flächenleistungsdichte liegt derzeit bei bis zu 100 mW/cm². Allerdings macht die Forschung und Entwicklung zur Wirkungsgradverbesserung rasante Fortschritte. Neue Werkstoffe wie amorphes Silicium (aSi) oder Kupfer-Indium-Diselenid (CIS) bieten bei etwas geringerem Wirkungsgrad bessere mechanische Eigenschaften. Darüber hinaus ist ihre Herstellung kostengünstiger als mono- und polykristalline Silizium-Solarzellen.
Photovoltaik wird derzeit zur Versorgung von Sensoren in widrigen Umgebungen eingesetzt. Solarmodule, die für solch spezielle Anforderungen gebaut wurden, messen nur wenige Quadratzentimeter. Der Einsatz dieser Technologie im Innenbereich ist möglich, doch ist ihr Wirkungsgrad ums Tausendfache geringer. Für diesen Zweck sind PV-Zellen aus Amorphem Silizium besser geeignet.
Vibrationen
Vibrationen sind in zahlreichen Umgebungen vorhanden, besonders in Industrieanlagen. Sie sind allgegenwärtig in Fabriken und Produktionsanlagen, was eine echte Chance für die Umsetzung des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 bietet. Gerade hier erfordert der Einsatz von Sensoren hohe Energien. Die Umwandlung von Vibrationen in elektrische Energie kann mit vier Sensortypen erfolgen: elektromagnetische, elektrostatische, magnetostriktive und piezoelektrische Sensoren.
Mit einer erzielbaren Flächenleistungsdichte von 100 µW/cm2 ist die Gewinnung von Vibrationsenergie auch auf anderen Gebieten denkbar. Einige Beispiele:
- Die Rückgewinnung von Bewegungsenergie des menschlichen Körpers zur Versorgung portabler Geräte
- Die Energierückgewinnung aus dem Drücken einer Taste für den Betrieb einer Fernbedienung
- Die Versorgung der Vibrationssensoren für den Schienen- und Bahnverkehr
Radiowellen
Auch Funkwellen, die fast allgegenwärtig sind, können zur Energierückgewinnung verwendet haben. Die Nutzung der Radiofrequenzenergie zur Versorgung kleiner Geräte ist nicht neu. Ein konkretes Beispiel ist die bereits seit Jahren eingesetzte RFID- Technologie (Radio Frequency Identification). Dieses System nutzt für seinen Betrieb eine elektromagnetische Energieübertragung.
In den letzten Jahren hat sich die Nutzung der Radiowellen mit dem Ausbau der Mobiltelefonie und des WLANS verzehnfacht. Dabei handelt es sich um eine Energiequelle mit vielversprechendem Potenzial; Hersteller von integrierten Schaltungen haben dies längst erkannt und bieten künftig Empfangsschaltungen speziell für die Energierückgewinnung aus Funkwellen an. Sie ermöglichen die Umwandlung der Radiosignale in elektrische Gleichstromsignale. Sogenannte Rectenna-Module (gleichrichtende Antennen) für die Umwandlung von RF-Signalen in Gleichstromsignale werden speziell für diesen Zweck hergestellt. Diese Art des Energy-Harvestings bietet sich natürlich auch als möglicher Energielieferant für Anwendungen mit extrem niedrigem Stromverbrauch und als zusätzliche Energiequelle für anspruchsvollere Systeme an. Beispielsweise wäre es denkbar, eine Leistung von 1 Mikrowatt durch die Energierückgewinnung eines in 1 Meter Entfernung angebrachten Senders mit einer Leistung von 1 Watt zu erzielen.
Wärmeenergie
In fast jeder Umgebung, insbesondere dort, wo Menschen einer Tätigkeit nachgehen oder Maschinen in Betrieb sind, existiert Wärmeenergie. Typische Beispiele hierfür sind Elektrogeräte, Motoren und mechanische Systeme. Wärmeenergie kann mithilfe von Thermoelektrizität in elektrische Energie umgewandelt werden. Diese Technologie basiert auf dem bereits 1921 von Thomas Johann Seebeck entdeckten thermoelektrischen Effekt, der nach ihm benannt wurde. Auf diesem beruht auch das Funktionsprinzip von Peltier-Elementen. Die ersten konkreten Anwendungen wurden 1950 vermarktet, doch wurde die Weiterentwicklung durch den geringen Wirkungsgrad gebremst. Durch die zunehmende Bedeutung der Energieeffizienz in den vergangenen Jahrzehnten bekam die Forschung wieder Aufwind. So wurden in jüngster Zeit Fortschritte erzielt, insbesondere bei der Entwicklung neuer Werkstoffe mit verbesserter Umwandlungseffizienz aus Bleitellurid-basierten Nanostrukturen. Diese unter Verwendung von Schwermetallen hergestellten Materialien sind jedoch instabil, selten und teuer. Die Suche nach rentableren Alternativen in der geht somit weiter.
Wie auch bei den anderen Energiequellen eröffnet der sehr geringe Stromverbrauch moderner Schaltungen neue Perspektiven:
- Die Nutzung der menschlichen Körperwärme zur Stromversorgung portabler Geräte wie zum Beispiel Smartwatches oder vernetzter medizinischer Geräte wie Herzschrittmacher.
- Bremsenergierückgewinnung in elektrischen und hybriden Automobilen.
Die Zukunft ist vielversprechend
Damit die Verbreitung vernetzter Geräte in Zukunft gelingt, müssen Schaltungen für den Betrieb immer effizienter mit Energie versorgt werden, die sie aus ihrer Einsatzumgebung schöpfen können. In Anbetracht bisheriger Fortschritte bei der Umwandlungseffizienz ist zu erwarten, dass Halbleiterhersteller auch in Zukunft stets sparsamere Schaltungen und Multi-Energiemanagement-Lösungen zur Optimierung solcher Anwendungsszenarien auf den Markt bringen werden.
In Zukunft wird die Energierückgewinnung mit Sicherheit keine Frustrationsquelle mehr für die Entwickler elektronischer Anwendungen sein, die deren Energiebedarf auf ein Minimum reduzieren möchten.
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